Bernstein suchen und finden
Das Gold der Ostsee
Das Gold der Ostsee
Bernstein bezeichnet den klaren bis undurchsichtigen gelben bis rötlichen Schmuckstein aus fossilem (Baum)Harz, der wissenschaftlich betrachtet kein Stein ist. Der Begriff Bernstein leitet sich von dem mittelniederdeutschen „börnen“ (brennen) ab, was sich auf die starke Brennbarkeit des Harzes bezieht. In der Antike wurde Bernstein als „elektron“ (griechisch) oder „electrum“ (lateinisch) bezeichnet, da das Harz dank seiner statischen Aufladung als Kleiderbürste Staub- und Schmutzpartikel anzog. Dadurch gilt Bernstein heute auch als Namensgeber für den Begriff der Elektrizität.
Das arabische Wort „anbar“, was „duftende Substanz“ bedeutet, wurde zeitweise in Europa auch für Bernstein verwendet. Sowohl Bernstein als auch Ambra oder Amber, eine Substanz aus dem Verdauungstrakt von Pottwalen, welche man früher für die Parfümherstellung benutzte, wurden an die Strände gespült. Beide geben bei Erwärmung Duftstoffe ab. Die Vermischung von Ambra und Bernstein zeigt sich in einigen Sprachen.
englisch | amber, succinite |
französisch | ambre jaune |
spanisch | ámbar |
dänisch | rav |
niederländisch | barnsteen |
polnisch | bursztyn |
italienisch | ambra (gialla) |
kroatisch | ćilibar, jantar |
russisch | янта́рь |
türkisch | kehribar |
griechisch | ήλεκτρο |
latein | sucinum, glaesum, electrum |
Im Ostseeraum wird Bernstein auch oft Baltischer Bernstein genannt. Dabei handelt sich zumeist um Succinit, eine Unterart aus fossilem Harz. Weitere Bernsteinarten, die man im Norden findet, sich akzessorische Harze (mit Begleitmineralen): Gedanit, Glessit, Beckerit und Stantienit.
Zähflüssiger und klebriger Baumsaft: Baumharz
Bernsteine sind Harze, die vor Jahrmillionen aus den Wunden von Kiefern und anderen Nadelhölzern tropften und an der Luft schnell aushärteten. Aufgrund seiner Entstehung aus Baumharz wird der Bernstein den organischen Edelsteinen zugerechnet. Im Gegensatz zu Versteinerungen fand keine Umwandlung in kristallines Material statt. Durch Wasser, Eis und Brandung lagerten sich die fest gewordenen Harze in tiefen Sedimentschichten ab und wurden unter Luftabschluss und Druck, im Boden vor Verwitterung geschützt, zu Bernsteinen.
Die ältesten fossilen Harze sind mehr als 300 Millionen Jahre alt. Die meisten Bernsteinfunde sind rund 55 Millionen Jahre alt. Für die Altersbestimmung mit der C14-Methode (mit radioaktivem Kohlenstoff) sind Bernsteine zu alt, da mit dieser Methode lediglich 50.000 Jahre zurückdatiert werden kann. Um Rückschlüsse auf das Alter ziehen zu können, orientiert man sich am Sediment (geologisches Alter), in dem der Stein gefunden wurde. Allerdings gibt es in der Nordsee beispielsweise ursprünglich keine Bernsteine, diese wurden nach der Eiszeit aus dem Baltikum dorthin gespült.
Inklusen sind Einschlüsse aus Flora und Fauna im fossilen Baumharz. Sind mehrere Organismen in einem Bernstein eingeschlossen, spricht man von Syninklusen. Pflanzliche und tierische Fossilien finden sich überwiegend in sogenannten Schlauben, bei denen das Harz schubweise austrat und die vorangegangenen Ausflüsse überdeckte. Sie sind meisten klar und enthalten Verschmutzungen zwischen den Schichten.
Sie sind für die Wissenschaft beziehungsweise die Altersbestimmung sehr interessant. In der Kreidezeit gab es zum Beispiel sehr wenige Ameisen, deutlich vermehrt traten diese erst im Tertiär auf. Beim Baltischen Bernstein dominieren Insekten und Spinnentiere die Funde. Bienen, Fliegen und Mücken sind auch öfter als Einschlüsse zu finden. Seltene Tiere sind Eidechsen oder Skorpione aus anderen Weltgegenden.
Inklusen sind bei Sammlern sehr beliebt, dabei ist die Größe des Schmucksteins zweitrangig, der Inhalt zählt. Zur Enttäuschung einiger sind die Fossilien manchmal in nur einem Zentimeter großen Bernstein inkludiert. Perfekt erhaltene Inklusen sind selten. Je rarer der Einschluss, desto wertvoller ist der Stein.
Klare, gelbliche Bernsteine mit Inklusen
Das Gold des Meeres gibt es in verschiedenen Farben. In unseren Breitengraden sind die gelben oder auch rötlich schimmernden Schmucksteine bekannt, aber in anderen Weltregionen gibt es viele weitere Farbvarianten. Der Blaue Bernstein ist ein seltener Fund und deshalb besonders für die Schmuckherstellung gefragt. Er kommt in der Dominikanischen Republik, auf Haiti und in Indonesien vor. Grüner Bernstein ist eine Seltenheit, unter anderem aus der Karibik oder Äthiopien.
Ein milchiger Gelbton entsteht durch mikroskopisch kleine Luftbläschen. Durch die Lagerung in eisenhaltigem Grund bekommt der Bernstein eine rötliche Farbe. Mineralische Einschlüsse geben dem Stein eine Elfenbeinfärbung. Bernsteinfunde, die durch Lichtbrechungseffekte, grünlich oder bläulich erscheinen, werden auf fluoreszierende Moleküle zurückgeführt, die mutmaßlich durch Erwärmung infolge vulkanischer Aktivität entsteht. Die Reinheit variiert von trübe bis durchscheinend. Jede Art hat ihren eigenen Reiz.
Bernstein besteht zum größten Teil aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff. Ein Kubikzentimeter Bernstein wiegt weniger als ein Gramm. Die Dichte (Verhältnis von Gewicht zu Volumen) liegt mit 1,05 – 1,09 nur knapp über der von Wasser. Salzwasser oder -löschungen haben eine höhere Dichte als Süßwasser. Der durchschnittliche Salzgehalt im Meerwasser liegt bei ca. 4 %. Bei gleicher Temperatur hat Salzwasser also eine höhere Dichte als Süßwasser und erzeugt einen höheren Auftrieb, der Bernsteine schwimmen lässt. Wenn die Wassertemperatur der Ostsee unter 4°C fällt, steigen somit die Chancen, an den Ostseestränden fündig zu werden. Mit einer Kochsalzlösung (ca. 10 % Salzgehalt) kann zudem die Echtheit des Steins getestet werden.
Die Brenneigenschaft ist hinlänglich bekannt. Die organische Zusammensetzung ähnelt der von Braunkohle. Angezündet brennt die Flamme kerzenähnlich. Der Duft ist harzig-aromatisch. Er erinnert an Weihrauch, das ebenfalls aus Baumharz hergestellt wird. Succinit hat keinen Schmelzpunkt, ist jedoch aber 170°C bis 200°C weich und formbar. Um die Echtheit zu testen, muss der Bernstein nicht angezündet werden. Es ist ausreichend, eine erhitzte Nadel oder Messerspitze an den Schmuckstein zu halten. Wenn er nach Nadelwald riecht, ist er echt. Stinkt es nach Plastik, ist er unecht.
Über mehrere Tage werden trübe Naturbernsteine in Öl langsam erwärmt, um sie zu klären. Durch das Erwärmen entweichen Luftblasen. Außerdem wird der Bernstein fester und ist damit besser für die Schmuckherstellung geeignet. Er gilt nach der Behandlung dann jedoch nicht mehr als Naturbernstein. Auch Bernsteinreste können mit Druck und Hitze zu einem größeren Stein zusammengepresst werden.
Künstlich geklärte Bernsteine sind die Regel. Dabei werden trübe Naturbernsteine (95 % der gefundenen Bernsteine) über mehrere Tage langsam in Raps- oder Leinsamenöl erwärmt, um sie zu klären. Durch geschickte Temperaturregelung während des Klärungsprozesses können auch Sonnenflinten, Sonnensprünge und Blitzer, die in Naturbernsteinen äußerst selten vorkommen, gezielt hergestellt werden. Oft wird auch ein hohes Alter des Steins vorgetäuscht. Beim so genannten Antikisieren wird das Material in einem elektrischen Ofen in gereinigtem Sand mehrere Stunden auf 100 °C erhitzt, um einen warmen Braunton zu erzeugen. Alle diese Manipulationen sind nur schwer nachzuweisen.
Die elektrostatische Eigenschaft des Bernsteins war bereits den Griechen bekannt. Durch Reibung lädt sich das organische Material elektrostatisch auf. Reibt man den Bernstein mit einem Tuch aus Seide oder Wolle einige Male und hält ihn über einen Papierschnipsel, wird dieser von dem Bernstein angezogen. Im aufgeladenen Zustand kann man damit Staub, Fussel und Haare anziehen.
Bernstein leuchtet unter UV-Licht bläulich bis grünlich, je nach Verwitterungszustand. Glatte Steine leuchten blau, während raue Steine unter UV-Bestrahlung grünlich erscheinen. Starke UV-Taschenlampen helfen nicht nur bei der Suche nach Bernstein, sondern sind auch ein gutes Prüfmerkmal.
Wer sich zum richtigen Zeitpunkt am Strand aufhält, findet mit ein wenig Glück das Gold des Meeres. Viele Urlauber geraten im Ostseeurlaub ins Bernsteinfieber. An den genannten Merkmalen kann man den Schmuckstein erkennen, dennoch ist das Finden nicht ganz einfach. Manche verwechseln das Gold der Ostsee mit Phosphor. Weißer Phosphor stammt von Brandbomben aus dem 2. Weltkrieg und wird immer wieder an die Strände gespült. Im trockenen Zustand entzündet sich Phosphor schnell. Wer den noch feuchten Brocken in die Hosentasche steckt, kann bald eine schlimme Überraschung erleben. Mit 1.300°C wird brennender Phosphor extrem heiß und kann sehr schwere Verbrennungen verursachen. Zur eigenen Sicherheit sollten die Strandfunde niemals in die Hosen- oder Jackentasche gesteckt werden. Eine Blechdose oder ein Blecheimer schützt vor direktem Kontakt mit Phosphor. Auch ein mit Wasser gefülltes Marmeladenglas bewahrt den Phosphor vor dem Trocknen und damit der Selbstentzündung.
Frühstens wenn die Wassertemperatur auf 4°C sinkt, treiben Bernsteine an die Oberfläche und landen an den Stränden der Ostsee. Je kälter, desto größer sich die Chancen, Bernsteine zu finden. In den Sommermonaten ist das Wasser zu warm. Bernsteine sind im warmen Wasser aufgrund ihrer Dichte vergleichsweise schwer und lagern daher im Sommer auf dem Meeresgrund.
Damit die Schmucksteine an der Ostseeküste angespült werden, braucht es raues Wetter mit hohen Wellen und tosendem Meer, das den Meeresgrund aufwirbelt und die Steine frei gibt. Die heftigsten Stürme treten hierzulande im Herbst auf. Der Herbst ist Bernsteinzeit! Der erste Tag nach einem Sturm ist besonders geeignet, um auf Bernsteinjagd zu gehen. Im Spülsaum verstecken sich die schmucken Steine zwischen Tang, Holz und Muschelschalen am Strand.
Weht Nordwind, sollte man an einem Nordstrand suchen; bei Nordostwind an einer Küste, die von Nordwest nach Südost verläuft. Bei Westwind ist die Suche nach Bernsteinen vergebliche Liebesmüh.
Polierter Schmuckbernstein
Das Baltikum, der südöstliche Ostseeraum, ist die bekannteste Fundregion von Bernstein in Europa. Man geht von einem Bernsteinwald vor 55 bis 35 Millionen Jahren aus, der sich über das gesamte östliche Nordeuropa erstreckt haben soll. Gletscher haben alle Spuren beseitigt, sodass man die Lage nicht mehr rekonstruieren kann. Die sogenannte Bernsteinküste, die wegen seines großen Bernsteinvorkommen so bezeichnet wird, liegt zwischen der Kurischen Nehrung und Frischen Nehrung am Ostseestrand nordwestlich von Königsberg, aber auch an deutschen Küsten wird man fündig.
An der deutschen Ostseeküste ist vor allem der Nordostküste von Usedom für seine Bernsteinfunde bekannt. Die Nord- und Westküste von Fischland-Darß-Zingst ist ebenfalls vielversprechend. Wer bei der Suche kein Glück hat, sollte das Darßer Bernsteinmuseum im Ostseebad Prerow (ohne Eintrittsgeld) besuchen. Auf Rügen sind die Strandabschnitte zwischen Göhren und Sellin, Binz und Mukran sowie rund um Glowe und Juliusruh empfehlenswert. Bernsteinfischern bietet Hiddensee häufiger gute Voraussetzungen als Rügen für die Bernsteinsuche. In Binz ist die Chance bei Nordostwind gut, auf Hiddensee bei Südwestwind. Als gute Fundstelle gilt auch die Insel Poel sowie das Gebiet zwischen Boltenhagen und Kalkhorst. Je weiter westlich, desto weniger Bernsteinfunde gibt es.
Sammler gehen gern an die Steilküsten und graben dort. An Buhnen und Molen sammeln sich ebenso Bernsteine, Donnerkeile und Hühnergötter an. Wo Schwemmgut mit ähnlicher Dichte, zum Beispiel schwarze Hölzer, am Strand angespült wird, ist es wahrscheinlicher, ebenfalls Bernstein zu finden. Je größer das Treibgut, desto größer können auch die Funde sein. In Seetang und Seegras verfangen sich gerne fossile Harze. Zwischen Muscheln und Steinen ist die Suche vergebens. Statt direkt am Ufer mit gesenktem Kopf zu suchen sollten motivierte Urlauber lieber den alten Spülsaum durchforsten. Eine Bernsteintaschenlampe mit UV-Licht und Schutzbrille sowie eine langzinkige Harke sind beim Wühlen im Sand praktisch.
Die erfolgversprechendste Methode ist jedoch, im flachen Wasser zu waten, denn nur circa fünf Prozent der Bernsteine landen tatsächlich am Strand. Selbst mit entsprechenden Stiefeln, Handschuhen und Kleidung sowie einem Kescher ist das ein kaltes Unterfangen!
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